Pressemitteilung vom 6. Juni 2011

Speed-Dating bei Altlasten

Themenwoche Flächenrevitalisierung in Leipzig

Leipzig. Eine komplexe Software soll künftig dabei helfen, optimale Nachnutzungen für großflächig kontaminierte Standorte (so genannte Megasites) zu finden. Die Software ist eines von mehreren Produkten, die im Rahmen der Themenwoche Flächenrevitalisierung vom 5. bis 10. Juni in Leipzig vorgestellt werden. Damit die Sanierung von Altlasten künftig besser gelingen kann, wollen die Leipziger Organisatoren dabei Experten aus verschiedensten Fachbereichen an einen Tisch bringen. Auf verschiedenen Workshops und Weiterbildungsveranstaltungen werden insgesamt über 250 internationale Vertreter von Praxis, Politik und Forschung erwartet.

Innerstädtische Brachfläche

Ehemaliges innerstädtische Industriegebiet. Die Sanierung und Nutzung von Brachflächen ist ein wichtiger Baustein für eine nachhaltige Landnutzung. Dabei soll die Software "SAFIRA II Megasite Management Toolsuite (MMT)" Entscheider zukünftig bei der Bewertung und Entwicklung von nachhaltigen und effizienten Nutzungsstrategien großflächig kontaminierter Standorte (Megasites) unterstützen.
Foto: André Künzelmann/UFZ

download als jpg (1,8 MB)

Nutzungsbedingungen Bildmaterial

Nach der Weltpremiere in Philadelphia wird die neue Software für Altlasten erstmals deutschen Spezialisten auf dem 3. TASK-Symposium in Leipzig vorgestellt. Wie beim Speed-Dating werden die Experten dann die Gelegenheit haben, sich mit verschiedensten Aspekten in kürzester Zeit vertraut zu machen. Die "SAFIRA II Megasite Management Toolsuite (MMT)" soll künftig als Entscheidungsunterstützungssystem bei der Bewertung und Entwicklung von nachhaltigen und effizienten Nutzungsstrategien großflächiger kontaminierter Standorte (Megasites) dienen. Dazu haben Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und der Universität Tübingen verschiedene Bausteine entwickelt. So können Ideen für die Nach- oder Wiedernutzung von Brachflächen erarbeitet, der Sanierungsbedarf auf der Grundlage einer Konfliktanalyse bestimmt und am Ende eine ganzheitliche Bewertung durchgeführt werden. "Unser neues System eignet sich insbesondere für die Bewertung von Brachflächen, auf denen relevante Boden- und/oder Grundwasserkontaminationen vorliegen und für die aufgrund ihrer Größe eine gewisse Flexibilität hinsichtlich des Nutzungskonzepts besteht", erklärt Stephan Bartke, einer der Autoren. Zum Einsatz kam die Software bereits für ein ehemaliges Militärgelände in Potsdam-Krampnitz, das teilweise renaturiert und teilweise in Zukunft als Wohn- und Gewerbegebiet genutzt werden soll. Während der militärischen Nutzung der Fläche wurde der Untergrund bis 1991 komplex mit Schadstoffen kontaminiert. So befinden sich dort im Grundwasser jetzt leichtflüchtige, chlorierte Kohlenwasserstoffe (LCKW) und BTEX-Aromaten. Zwei weitere Standorte in Deutschland sind zurzeit in Bearbeitung. "Außerdem gibt es Anfragen zum Einsatz der MMT aus Kalifornien, Brasilien und Chile. Das zeigt uns, wie groß der Bedarf an solchen Lösungen international ist", berichtet Martin Bittens vom UFZ.

Effiziente und innovative Technologien und Werkzeuge für die Untersuchung von Boden- und Grundwasserkontaminationen stellt der 1. Trainingskurs des EU-Projektes ModelPROBE vor. Das Projekt ModelPROBE wird durch die EU gefördert und kombiniert neue Direct-Push-Sonden mit geophysikalischen und hydrogeologischen Methoden, chemischen und Isotopen-Analysen, um die Schadstoffquelle genau zu lokalisieren und zu identifizieren.

Im Rahmen der Themenwoche "Flächenrevitalisierung" findet in Leipzig auch die Auftaktveranstaltung für ein neues EU-Forschungsprojekt statt. Die Sanierung und Inwertsetzung großer verunreinigter Standorte (Megasites) ist ein wichtiger Baustein für eine nachhaltige Landnutzung in Europa. Oft erscheinen Maßnahmen jedoch zu teuer, mit schlechter Ökobilanz oder es mangelt an der gesellschaftlichen Akzeptanz. Dabei gibt es eine breite Palette an innovativen Sanierungstechnologien und Entscheidungshilfen. Die EU fördert deshalb bis Juni 2014 das Projekt TIMBRE (Tailored Improvement of Brownfield Regeneration in Europe), um maßgeschneiderte Lösungen für solche Altlasten zu entwickeln. Im Rahmen des Projektes soll später auch untersucht werden, welche Rolle kulturelle Aspekte spielen. Die Forscher aus 15 Institutionen und neun EU-Ländern wollen so herausfinden, ob die Verantwortlichen für Altlasten in verschiedenen Staaten unterschiedlich mit dem Problem umgehen.

Weltweit gibt es eine Vielzahl von großräumig mit Schadstoffen kontaminierten Industrieflächen: so genannte Megasites. In Deutschland beispielsweise sind solche Megasites dafür verantwortlich, dass fünf Prozent der Grundwasserkörper nicht den Anforderungen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie entsprechen. Handlungsbedarf besteht auch aus einem anderen Grund: Eine Nachnutzung dieser Flächen, beispielsweise für Wohnungen oder Freizeitaktivitäten, ist häufig aufgrund der davon ausgehenden Gefährdung nicht möglich. Aus wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Gründen ist es jedoch wichtig, solche ehemaligen Industriebrachen wieder zu nutzen - gerade auch um den Flächenverbrauch zu begrenzen.
Tilo Arnhold

Weitere Informationen

Martin Bittens
Terra-, Aqua- und Sanierungskompetenzzentrum Leipzig (TASK) am UFZ
Tel.: 0341-235-1682
www.task.ufz.de/index.php?de=17038

Dipl.-Volksw. Stephan Bartke / PD Dr. Matthias Groß / Prof. Matthias Kästner
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Tel.: 0341-235-1683, -1746, -1235
Dipl.-Volksw. Stephan Bartke
PD Dr. Matthias Groß
Prof. Matthias Kästner

Tilo Arnhold
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
presse@ufz.de
0341-235 1269

Publikationen

Schädler, S., Morio, M., Bartke, S. & M. Finkel (2011, in press):
Integrated planning and spatial evaluation of megasite remediation and reuse options. Journal of Contaminant Hydrology.
http://dx.doi.org/10.1016/j.jconhyd.2011.03.003

Schädler, S., Morio, M., Bartke, S., Rohr-Zänker, R. & M. Finkel (2011):
Designing sustainable and economically attractive brownfield revitalization options using an integrated assessment model, Journal of Environmental Management 92(3), 827-837.
http://dx.doi.org/10.1016/j.jenvman.2010.10.026

Finkel, M., Bartke, S., Rohr-Zänker, R., Morio, M., Schädler, S. & R. Schwarze (2010):
"Ganzheitliche Evaluation von Nutzungsstrategien für Brachflächen", in Frerichs, S., Lieber, M. & T. Preuß (eds.), Flächen- und Standortbewertung für ein nachhaltiges Flächenmanagement, Methoden und Konzepte. Beiträge aus der REFINA-Forschung, Reihe REFINA Band V, S. 97-109. http://www.refina-info.de/refina-veroeffentlichungen/reihe-refina

Weiterführende Links

Themenwoche Flächenrevitalisierung vom 5. bis 10. Juni in Leipzig
www.ufz.de/index.php?de=21360

Terra-, Aqua- und Sanierungskompetenzzentrum Leipzig (TASK)
www.task-leipzig.de

Megasite Management Toolsuite zur integrierten Bewertung von Revitalisierungsoptionen
www.safira-mmt.de

EU-Projekt ModelPROBE (Model driven Soil Probing, Site Assessment and Evaluation)
www.modelprobe.ufz.de

EU-Projekt TIMBRE (Tailored Improvement of Brownfield Regeneration in Europe)
www.timbre-project.eu

"Megasites - Altlasten in XXL"
{%%%REPLACE_LINK_1%%%}

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg ungefähr 1.000 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit über 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 17 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 3 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).