Verantwortung für Nachhaltigkeit

Die Bewirtschaftung von Wasserressourcen in der EU


Bearbeitung

Department Umwelt- und Planungsrecht
Prof. Dr. Wolfgang Köck
⇒ PD Dr. Thomas Petersen
Sebastian Hartig


Kooperation

Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Alfred Weber-Institut
PD Dr. Frank Jöst
PD Dr. Reiner Manstetten

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut für Volkswirtschaftslehre
Prof. Dr. Martin Quaas


Praxispartner

Dipl.-Ing. Sven Schulz,
Flussgebietsgemeinschaft Elbe, Leiter der Geschäftsstelle

Dr. Jörg Rechenberg,
Umweltbundesamt, Leiter der FG II 2.1 Übergreifende Angelegenheiten, Gewäs-sergüte und Wasserwirtschaft, Grundwasserschutz

Dipl.-Ing. Holger Diening,
Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie, komm. Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft


Förderung

BMBF-Förderschwerpunkt „Wirtschaftswissenschaften für Nachhaltigkeit II“

Projektlaufzeit

2010 – 2013


Kurzbeschreibung

Der langfristige Schutz von Wasserressourcen und der Erhalt ihrer Nutzungsmöglichkeiten muss ein Kernelement jeder umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie sein. Das Projekt befasst sich daher mit der Herausforderung, ein nachhaltiges Wasserressourcenmanagement zu verwirklichen. Dabei liegt der Fokus auf der EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und der durch sie geschaffenen neuen Verantwortungsstrukturen.

Mit der WRRL aus dem Jahre 2000 ist innerhalb der EU ein Ordnungsrahmen für eine gemeinschaftliche Wasserpolitik geschaffen worden. Dieser Ordnungsrahmen gilt als ein Meilenstein für die nachhaltige Wasserressourcenbewirtschaftung,

  • weil anspruchsvolle Gewässerqualitätsziele verbindlich festgelegt worden sind,
  • weil er die tradierten Begrenzungen sektoraler und nationaler Wasserpolitiken für die Bewirtschaftung grenzüberschreitender Flüsse überwunden hat,
  • weil ökonomisches Denken prominent Eingang in den Ordnungsrahmen gefunden hat,
  • weil durch das Fristenkonzept berücksichtigt wird, dass Gewässermanagement eine langfristige Planungsperspektive einnehmen muss,
  • weil durch die Verankerung von Übergangsfristen und Ausnahmetatbeständen Mechanismen für einen Ausgleich unterschiedlicher Wassernutzungsbedürfnisse verankert worden sind und
  • weil gesellschaftliche Akteure aktiv in die Politikformulierung einbezogen werden.

Der Erfolg der WRRL hängt von der Koordination einer Vielzahl von einzelnen Akteuren („Multi-Akteur“) auf verschiedenen Ebenen („Multi-Level“) ab und setzt eine bestimmte Struktur von Zuständigkeits- oder Verantwortungsbereichen („Verantwortungsstruktur“) voraus, die bewirkt, dass (i) die Akteure ein gemeinsames Ziel verfolgen können (z.B. die Qualitätsziele der WRRL) und (ii) gleichzeitig bestehende Ermessensspielräume im Sinne der Nachhaltigkeit nutzen.

Die WRRL etabliert selbst noch keine derartige Verantwortungsstruktur, sondern nur deren Anfänge: Die WRRL sieht vor, dass auf der Ebene von Flusseinzugsgebieten über die Bewirtschaftung der Wasserressourcen zu entscheiden ist. Sie fordert aber keine einheitliche Flussgebietsbehörde, sondern überlässt die Organisation der Bewirtschaftungsaufgabe wie auch die Verantwortung für die Einhaltung der Qualitätsziele den Mitgliedstaaten und verpflichtet lediglich zu einer Koordination der Maßnahmen, die für die Zielerreichung im Flussgebiet erforderlich sind. Dabei ist die Öffentlichkeit aktiv einzubeziehen und zu informieren. In diesem Ansatz liegen Chancen und Risiken:

  • Die Chancen liegen darin, dass erstmals eine Gesamtverantwortung für den Gewässerzustand in einer Flussgebietseinheit etabliert wird und dass dabei nicht mehr ausschließlich auf den Staat als Akteur gesetzt, sondern die Öffentlichkeit aktiv einbezogen wird.
  • Die Risiken liegen zum einen darin, dass (jedenfalls in den föderalen Staaten der EU) kein zentraler Träger für die Wahrnehmung dieser Verantwortung geschaffen worden ist, sondern die bisherigen Zuständigkeiten im Wesentlichen gewahrt worden sind. Risiken liegen auch darin, dass die für die Flussgebietsbewirtschaftung zuständigen Behörden die notwendigen Maßnahmen nicht aus eigener Kompetenz durchführen können, sondern auf die Kooperation unterschiedlichster Entscheidungsträger von der europäischen, über die nationale bis zur regionalen Ebene angewiesen sind. Es besteht also eine Differenz von Handlungsraum und Institutionenraum, die dazu führen kann, dass die Verantwortung für den Gewässerzustand in der Flussgebietseinheit diffundiert und Partikularinteressen an Bedeutung gewinnen. Die für den ersten Bewirtschaftungszyklus zu beobachtende „Flucht in das Ausnahmeregime“ mag hierfür ein erstes Indiz sein.

Das Projekt möchte allerdings nicht nur Aussagen speziell zum Wassermanagement in der EU, sondern insbesondere auch allgemeine Aussagen über geeignete Verantwortungsstrukturen zur Lösung von Nachhaltigkeitsproblemen generieren. Die Projektbearbeiter sind nämlich der Überzeugung, dass die am Beispiel der Bewirtschaftung von Wasserressourcen diskutierten Probleme in mehrfacher Hinsicht paradigmatisch für Problem bei der Wahrnehmung von Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung stehen:

  • Die „Governance“-Dimension der Verantwortungswahrnehmung ist zentral für das Projekt und ein allgemeines Problem im Kontext der Nachhaltigkeit. Welchem individuellen, institutionellen, öffentlichen oder privaten Akteur wird welche (Teil-)Verantwortung eines komplexen Gesamtproblems zugewiesen? Wer ist wofür zuständig, wer muss wofür haften? Sind diese Akteure aufgrund ihrer Macht und ihrer rechtlichen Kompetenz überhaupt in der Lage, die ihnen vorgegebenen Ziele zu erreichen? Verschärft wird diese Problematik durch die Administrativgrenzen und Ländergrenzen überschreitende Konstellation der Flussgebietsbewirtschaftung, die ebenfalls typisch für die Umweltprobleme unserer Zeit ist.
  • Zu verweisen ist zweitens auf das Verhältnis von staatlicher und privater Verantwortungsübernahme. Die WRRL begründet eine (mitglied-)staatliche Verantwortung für die Erreichung guter Gewässerzustände, die auf das Zusammenwirken unterschiedlicher Regelungsebenen angewiesen ist und dabei die Öffentlichkeit gleichsam „kontrollierend“ einbezieht. Gleichzeitig existieren weiterhin die etablierten Mechanismen privater Verantwortungsübernahme, nämlich das Einstehen für sorgfaltswidriges gewässerbezogenes Handeln und die Haftung für die zurechenbare Verursachung von Gewässerschäden. Wie sich private und staatliche/öffentliche Verantwortungswahrnehmung zueinander verhalten, ist ein weiterer Gegenstand des Projekts, der durch die zwischenzeitliche Verabschiedung der EG-Umwelthaftungsrichtlinie, die für bestimmte berufliche Tätigkeiten eine Haftung auch für Gewässerschäden vorsieht, noch an Bedeutung gewonnen hat.
  • Zu verweisen ist schließlich auch auf die Wahrnehmung der langfristigen Verantwortung für künftige Generationen zur Herstellung einer intergenerationellen Gerechtigkeit. Dabei muss ein Ausgleich zwischen gegenwärtigen Nutzungsinteressen (im Rahmen intragenerationeller Gerechtigkeit) mit den vermuteten Nutzungsinteressen künftiger Generationen erfolgen. In der Flussgebietsbewirtschaftung erfolgt dieser Ausgleich insbesondere durch die Inanspruchnahme der Ausnahmemöglichkeiten von den Bewirtschaftungszielen. Der Umgang mit diesen Ausnahmemöglichkeiten und die Mechanismen zur Sicherung einer angemessenen Wahrung künftiger Nutzungsinteressen ist ein dritter Gegenstand des Projekts.

Indem auf „Strukturen der Verantwortungswahrnehmung“ („Verantwortungsstrukturen“) fokussiert wird, wird deutlich, dass das Projekt eine institutionelle Perspektive auf das Verantwortungsproblem einnimmt. Demgemäß werden unter Verantwortungsstrukturen nicht nur ethische oder rechtliche Pflichten, Zuständigkeiten und Handlungsmittel zur Wahrnehmung dieser Zuständigkeiten verstanden, sondern weitergehend der Institutionenraum einbezogen, in dem Entscheidungen getroffen werden und der auf die Handlungen der Akteure ein- und rückwirkt.

Ziele des Projekts

Das Ziel des Projekts ist zunächst, die auf Grundlage der WRRL geschaffenen Verantwortungsstrukturen auf ihre Angemessenheit bzw. Leistungsfähigkeit für die Erreichung einer nachhaltigen Wasserwirtschaft zu untersuchen und Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Dabei soll die WRRL insgesamt unter den Gesichtspunkten der inter- und intragenerationellen Gerechtigkeit untersucht und bewertet werden. Ausgehend von der Befassung mit den Verantwortungsstrukturen der WRRL soll zudem ein grundlegender Beitrag dazu zu geleistet werden, wie für eine Nachhaltigkeitspolitik Verantwortung konzeptionalisiert, begründet und organisiert werden kann und wie die dazu notwendigen institutionellen Voraussetzungen geschaffen werden können.

Diese umfassende Zielsetzung kann in sechs Einzelziele untergliedert werden, denen sechs aufeinander aufbauende Arbeitsmodule des Projektes entsprechen:

Ziel 1: Klärung des Konzepts der Verantwortung im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Gewässerschutz
Auf der Basis der Bearbeitung von grundlegenden ethischen, politischen, juristischen und institutionenökonomischen Fragen soll das Konzept der Verantwortung so formuliert werden, dass es als eine Heuristik für die Analyse und Lösung konkreter Nachhaltigkeitsprobleme wie der Flussgebietsbewirtschaftung geeignet ist. Die institutionellen Voraussetzungen der Wahrnehmung von Verantwortung und die Grenzen von Verantwortung sollen herausgearbeitet werden.

Ziel 2: Analyse der Verantwortungsstrukturen der WRRL für die Flussgebietsbewirtschaftung
Am Beispiel der Bewirtschaftung des internationalen Flussgebiets der Elbe soll die Leistungsfähigkeit der durch die gegenwärtige Umsetzung der WRRL geschaffenen Verantwortungsstrukturen durch eine integrativ angelegte ökonomische, juristische und politikwissenschaftliche Analyse bestimmt werden. Folgende Fragen sollen beantwortet werden: Ist die Gesamtverantwortung gut auf einzelne Akteure aufgeteilt? Haben die Verantwortungsträger die Kompetenz und Macht, der Verantwortung gerecht zu werden? Oder bestehen hier systemische Defizite, die die Erreichung der Ziele der WRRL (bzw. einer nachhaltigen Entwicklung) in Frage stellen?

Ziel 3: Bewertung der Verantwortungsstrukturen der Flussgebietsbewirtschaftung in der Elbe und Vorschläge für eine für Nachhaltigkeit angemessene Verantwortungsstruktur
Ausgehend von einer allgemeinen Untersuchung der institutionellen Voraussetzungen zur Wahrnehmung von Verantwortung einerseits (Ziel 1) und einer nachhaltigkeitsökonomischen/institutionenökonomischen Analyse der konkreten Verantwortungsstrukturen der WRRL in einer Flussgebietseinheit (Ziel 2) werden Empfehlungen für eine Verbesserung der Verantwortungsstruktur und der institutionellen Rahmenbedingungen entwickelt.

Ziel 4: Analyse und Bewertung der Einbeziehung der Öffentlichkeit in die Flussgebietsbewirtschaftung und der Haftung für die zurechenbare Verursachung von Gewässerschäden
Hier wird der Fokus auf bestimmte gesellschaftliche Akteure und ihre Rolle gerichtet: Die Funktion der Öffentlichkeitsbeteiligung für die Entscheidung über Maßnahmen, die Verantwortung privater Akteure für die Erhaltung bestehender Gewässerzustände sowie die neu begründete öffentlich-rechtliche Haftung für Gewässerschäden nach der EG-Umwelthaftungsrichtlinie werden herausgearbeitet. Insgesamt wird hier das Verhältnis von privater und staatlicher Verantwortung mit Blick auf die Wasserressourcen analysiert.

Ziel 5: Intergenerationelle Gerechtigkeit in der Flussgebietsbewirtschaftung
Es soll gezeigt werden, wie die WRRL am normativen Postulat eines gerechten Ausgleichs gegenwärtiger und zukünftiger Nutzungsinteressen gemessen und ethisch fundiert interpretiert werden kann. Eine besondere Rolle spielt dabei die Interpretation der Ausnahmeregelungen (Art. 4.4 und 4.5 WRRL). Sie können als ein Versuch angesehen werden, den in der WRRL intendierten langfristigen Schutz natürlicher Ressourcen, der dem Postulat der intergenerationellen Gerechtigkeit entspricht, zu ergänzen durch Aspekte der intragenerationellen Gerechtigkeit bzw. der sozialen Nachhaltigkeit, z.B. im Sinne der Vermeidung unverhältnismäßiger Kosten für die gegenwärtig Lebenden.

Ziel 6: Leitlinien für die Organisation der Verantwortung für Nachhaltigkeit
Hier sollen die empirischen und theoretischen Untersuchungen zur europäischen Wasserpolitik generalisiert, d.h. in ihrer paradigmatischen Bedeutung für Nachhaltigkeitspolitik insgesamt untersucht und dargestellt werden. Das Ziel besteht darin, Leitlinien dafür zu entwickeln, wie in einer Demokratie die Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung organisiert und für den einzelnen Akteur handlungsleitend gemacht werden kann. In zwei exemplarischen Machbarkeitsstudien soll die Übertragbarkeit der für den Bereich Wasserressourcenmanagement gewonnenen Erkenntnisse auf die Politikfelder Fischereipolitik der EU und Flächenhaushaltspolitik in Deutschland abgeschätzt werden.

Veröffentlichungen im Rahmen des Projekts

Bathe, Frauke; Klauer, Bernd; Schiller, Johannes (2010): Die Ausweisung künstlicher und erheblich veränderter Gewässer in Deutschland – eine länderübergreifende Analyse. Wasser und Abfall 12/2010, 40-44.

Bathe, Frauke; Klauer, Bernd; Schiller, Johannes (2011): Wirklich auf dem Weg zu guten Gewässern? Wasser und Abfall 1-2/2011, 10-16.

Klauer, Bernd; Rode, Michael; Franko, Uwe; Mewes, Melanie; Schiller, Johannes (2010): Decision support for the selection of measures according to the requirements of the EU Water Framework Directive. UFZ-Diskussionspapier 2/2010, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, Leipzig, 21 S.

Köck, Wolfgang; Fassbender Kurt (Hrsg.) (2011): Implementation der Wasserrahmenrichtlinie in Deutschland – Erfahrungen und Perspektiven. Dokumentation des 15. Leipziger Umweltrechts-Symposions des Instituts für Umwelt- und Planungsrecht der Universität Leipzig und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung – UFZ am 22. und 23. April 2010. Nomos, Baden-Baden, 188 S.

Köck, Wolfgang; Hofmann, Ekkehard; Möckel, Stefan (2010), Verringerung der Salzbelastung in der Flussgebietseinheit Weser, Nomos, Baden-Baden, 136 S.

Köck, Wolfgang; Stefan Möckel (2010): Quecksilberbelastungen von Gewässern durch Kohlekraftwerke – Auswirkungen auf die Genehmigungsfähigkeit, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 29, S. 1390-1397.

Mewes, Melanie; Klauer, Bernd (2010): Wasserrahmenrichtlinie und Naturschutz – Kontrahenten oder Partner? Die Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes bei der Maßnahmenplanung nach EG-Wasserrahmenrichtlinie. In Brickwedde, Fritz; Heidenreich, Franz-Peter; Jacob, Ulf; Wachendörfer, Volker (Hrsg.): Zukunft Wasser – 15. Internationale Sommerakademie St. Marienthal. Erich Schmidt Verlag, Berlin, 251-262.

Petersen, Thomas (2010): Individualethik und Kooperation im Spannungsfeld von Gesellschaft und Gemeinschaft. In: Thomas Beschorner et al. (Hrsg.): Kooperation und Ethik. München und Mering 2010: Rainer Hampp Verlag, S. 17-32.