InfraWass: Nachhaltigkeitsinstitutionen zur Governance langlebiger technischer Infrastruktursysteme

am Beispiel der europäischen Wasserver- und Abwasserentsorgung unter den Bedingungen klimatischen und demographischen Wandels

Teilprojekt: Institutionenökonomische und rechtliche Garantieinstitutionen

Bearbeitung

Department Ökonomie

Department Umwelt- und Planungsrecht


Partner

Wissenschaftliche Projektpartner

Teilprojekt: Techno-ökonomische Entwicklungsszenarien und modellgestützte Analysen der Wasserinfrastruktur:

→ Prof. Dr.-Ing. Robert Holländer
→ Dr. Stefan Geyler
→ Dipl.-Ing. Sabine Lautenschläger

Teilprojekt: Rechtliche Aspekte und Implementationsbedingungen für Nachhaltigkeitsinstitutionen der Wasserwirtschaft:

→ Prof. Dr. Silke Ruth Laskowski
→ Clara Gläve


Status

BMBF (FKZ: 01UN1013)

Projektlaufzeit

2010 – 2013


Kurzbeschreibung

Klaerwerk Rosenthal
Foto: Kommunale Wasserwerke Leipzig

Ausgehend von der Situation, dass die traditionellen zentralen Infrastruktursysteme angesichts steigender gesellschaftlicher Anforderungen an Ressourceneffizienz und Wirtschaftlichkeit sowie als Folge globaler wie regionaler Wandlungsprozesse (Klima, Demographie, Konsummuster) zunehmend unter Veränderungsdruck geraten, werden flexible und anpassungsfähige Systemlösungen gesucht. Diese müssen sich auch an kleinräumige und schnell wechselnde demographische und klimatische Veränderungen anpassen lassen, um die Funktionsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und „Erschwinglichkeit“ der Versorgungssysteme zu sichern. Hierzu ist es notwendig, bei bestehender Unsicherheit aufgrund schwer vorhersehbarer zukünftiger Entwicklungen, die technisch-ökonomischen Systeminteressen an Nachhaltigkeitsinteressen auszurichten. Einem Transformationsprozess steht hierbei die Einbettung der traditionellen Lösungen in sozio-ökonomischen „Garantie-Institutionen“ (Pfadabhängigkeiten) erschwerend entgegen. Im Rahmen des interdisziplinären Forschungsvorhabens InfraWass werden die Daten von Fallstudien aus den Regionen Hamburg (Metropolregion, zunehmende Starkregenereignisse) und Sachsen/Brandenburg (Migrationsverluste, Trockenheit) analysiert, um darauf aufbauend konkrete ökonomische und rechtliche Garantie-Institutionen (Preislösungen, Kompetenzordnung) für nachhaltige Abwasser- und Trinkwasserkonzepte zu entwickeln.


Projektbeschreibung

Ausgangssituation

Langlebige, technisch bestimmte Infrastruktursysteme, wie sie für die Wasserver- und Abwasserentsorgung hochentwickelter Länder typisch sind, stellen für die Steuerung unter dem Postulat einer nachhaltigen Entwicklung besondere Herausforderungen: Als komplexe sozio-technische Systeme, die auf die Erbringung einer Vielzahl von Dienstleistungen zielen (Versorgungssicherheit bei der Bereitstellung von Trink- und Löschwasser, Ableitung von Schmutz- und Regenwasser, Siedlungshygiene und Gewässerschutz), sind sie einerseits gekennzeichnet durch z. T. extreme technologische und ökonomische Langlebigkeit, Anlagenintensität, Leitungsgebundenheit der Dienstleistungen sowie Fixkostendominanz. Die ökonomischen Produktionsbedingungen sind daher durch die Problematik gemischt-öffentlicher Gutsbereitstellung, Skaleneffekte sowie natürliche Monopole bestimmt. Konventionelle Infrastruktursysteme der Wasserwirtschaft haben sich vor diesem Hintergrund unter der Prämisse langfristig stabiler Rahmenbedingungen einer zentralen Bedienung von wasserwirtschaftlicher Daseinsvorsorge in Verdichtungsräumen entwickelt und sind in einen Kranz begünstigender Institutionen eingebettet (Pfadabhängigkeiten).

Veränderte Rahmenbedingungen

Andererseits geraten leitungsgebundene Ver- und Entsorgungssysteme der Wasserwirtschaft gegenwärtig zunehmend unter Veränderungsdruck. Neben fortlaufend höheren Ansprüchen an die Ressourceneffizienz bzw. die ökologische Nachhaltigkeit wasserwirtschaftlicher Dienstleistungen und einer breiten Diskussion um Liberalisierung und Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge bestimmen vor allem langfristige Wandlungsprozesse wasserwirtschaftlicher Rahmenbedingungen das Problemfeld:

  • Der Klimawandel berührt die Wasserwirtschaft regional höchst unterschiedlich sowohl durch Probleme der Wasserbereitstellung (Trockenheit) als auch durch Bewältigung von Starkregenereignissen, was regional differenzierte Konzepte erfordert.
  • Auch demographische Veränderungen (Migrationsbewegungen, Geburtenrückgang) haben für das Wassermanagement gravierende Folgen – zum Teil finden gegenläufige Prozesse von Schrumpfung und Wachstum direkt nebeneinander statt.
  • Der Wasserverbrauch wird jedoch auch von anderen sozio-ökonomischen Einflussgrößen bestimmt, etwa von Veränderungen in der angewandten Haushaltstechnologie oder in Verhaltensmustern (Körperpflege, Hausarbeit).

Erste Auswirkungen des aufgezeigten demographischen Wandels auf die netzgebundenen Systeme der Wasserversorgung machen sich zusammen mit einem drastischen Rückgang des gewerblichen Wasserbedarfs in den neuen Bundesländern bereits heute als Unterauslastung der Versorgungssysteme und Anstieg der Entgelte bemerkbar. Unzureichende Abwassereinleitungen stellen zugleich technisch das Konzept der Schwemmwasserkanalisation in Frage.

Zukünftige Anforderungen an Wasserinfrastruktursysteme

Die zentrale Herausforderung für eine künftige Planung und Gestaltung des Wassersektors liegt demnach darin, flexible Versorgungskonzepte zu entwickeln, die sich auch an kleinräumige und schnell wechselnde demographische und klimatische Veränderungen anpassen lassen, um die Funktionsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und „Erschwinglichkeit“ der Versorgungssysteme zu sichern. Unter Unsicherheitsgesichtspunkten ist zugleich ein neuer Umgang mit schwer vorhersehbaren Entwicklungen erforderlich. Bisher standen die technisch-ökonomischen „Systeminteressen“ (Kapazitätsauslastung, Anschluß- und Benutzungszwang, Kostendeckung) Nachhaltigkeitsinteressen (Flexibilisierung, Dezentralisierung, Ressourcenschonung, Affordability) oftmals entgegen. Wie also kann langfristig die Bereitstellung von Wasserdienstleitungen institutionell so organisiert werden, dass Qualität und universelle Versorgungssicherheit bei gestiegenen ökologischen und Effizienzanforderungen gewährleistet bleiben, die Preise unter sozialen Gesichtspunkten vertretbar anmuten sowie die für die Nutzung dieser Dienstleistung notwendigen Systemkosten gedeckt und dabei den Betreibern der Einrichtungen zugleich Anreize gegeben werden, in die Funktionsfähigkeit der Systeme effizient zu investieren? Wie kann das System so offen gestaltet werden, dass es in der Lage ist, sich flexibel an veränderte Rahmenbedingungen unter Bewältigung von Unsicherheit anzupassen? Und unter welchen institutionellen Bedingungen kann ein solcher komplexer Transformationsprozess initiiert und erfolgreich implementiert werden, der nicht nur zusätzliche finanzielle Ressourcen bindet, sondern auch in konfliktäre wasserwirtschaftliche Interessen eingreift?

Zielsetzung InfraWass

Ziel des Forschungsvorhabens ist es, die Zukunftsfähigkeit der öffentlichen Wasserver- und Abwasserentsorgung im Hinblick auf regional diversifizierte demographische und sozio-ökonomische Prozesse, unterschiedliche Auswirkungen des Klimawandels und systemische Nachhaltigkeits-Zielkonflikte zu analysieren, sowie darüber Institutionen zur Sicherung einer nachhaltigen Steuerung langfristiger Infrastrukturentscheidungen zu entwickeln und dabei die polit-ökonomischen Implementationsbedingungen angesichts der Interessen wichtiger Stakeholder zu integrieren. Eine Flexibilisierung von Infrastruktursystemen angesichts sich rasch wandelnder demographischer und klimatischer, aber auch ökonomischer und politisch-rechtlicher Rahmenbedingungen, deren Veränderung zum Teil deutlich rascher abläuft als die kapazitären und systemischen Anpassungsprozesse konventioneller Infrastruktursysteme, leistet zugleich einen Beitrag zur Minderung der gesellschaftlichen Vulnerabilität und zur Verbesserung der Systemresilienz gegenüber exogenen Schocks im Bereich der Wasserwirtschaft. Am Beispiel des Anwendungsfeldes technischer Infrastruktursysteme der Wasserver- und -entsorgung wird somit ein Beitrag zur Konzeption von Nachhaltigkeitsinstitutionen staatlicher und gesellschaftlicher Governance und ihrer langfristigen Dynamik unter Unsicherheitsbedingungen geleistet.


InfraWass auf der Homepage von FONA/BMBF

InfraWass in der FONA-Informationsbroschüre "Wirtschaftswissenschaften für Nachhaltigkeit II"

Schriften zu wasserwirtschaftlichen und -rechtlichen Fragestellungen des Projekts

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