UFZ-Thema des Monats Juli

Biodiversität und Klimawandel

Wieviel Klimawandel vertragen unsere Pflanzen und Tiere? Oder besser, wie verändert sich die Zusammensetzung unserer Flora und Fauna unter Klimawandel? Verschiedene Klimaszenarien gehen von einer Erwärmung von 2 bis 4° C bis 2100 aus. Das gefährdet aller Wahrscheinlichkeit nach eine Vielzahl von Arten in ihren aktuellen Lebensräumen. Allein für Europa prognostizieren Modelle von Kollegen aus dem EU-Projekt ALARM (Assessing LArge scale environmental Risk for biodiversity with tested Methods) bei einem extremen Temperaturanstieg von über 4 °C, dass etwa 20 % der Arten über 80 % ihres derzeitigen Verbreitungsgebietes verlieren könnten (THUILLER et al. 2005).

Computermodelle: Klimawandel und Änderung der Pflanzengemeinschaften

Computermodelle ermöglichen Ausagen über die zukünftigen Verbreitungsgebiete von Pflanzenarten unter Berücksichtigung des Klimawandels. Gebiete im Südwesten und Osten Deutschlands werden tendenziell Arten verlieren, während vor allem in den Mittelgebirgen ein Zuwachs an Pflanzenarten zu erwarten ist.
Quelle: UFZ

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Zwar ist die Wanderung zu anderen Wuchsorten potenziell möglich, jedoch variieren die Aussagen über die Wanderungsgeschwindigkeit und die Anpassungsfähigkeit der Arten. Ob diese mit der Geschwindigkeit des klimatischen Wandels mithalten können, bleibt also eine offene Frage. Doch was ist auf diesem Hintergrund speziell für die deutsche Flora zu erwarten? Sowohl in zeitlichen als auch in räumlichen Dimensionen konnten bereits Reaktionen von Pflanzenarten festgestellt werden. Besonders auffällig sind Veränderungen der Verbreitungsmuster von Arten an Kältegrenzen, also in den Mittelgebirgen und Alpen. Für den Naturschutz offenbaren sich dadurch neue Herausforderungen. Neben haushaltseigener Forschung und dem zuvor genannten EU-Projekt ALARM bearbeitet das UFZ daher weitere Projekte sowohl für die EU (z. B. MACIS: Minimization of and Adaptation to Climate change Impacts on biodiverSity) als auch für das Bundesamt für Naturschutz ("Modellierung der Auswirkungen des Klimawandels auf die Flora", "Schutzgebiete Deutschlands im Klimawandel - Risiken und Handlungsoptionen").

Blauer Eisenhut (Aconitum napellus)

Blauer Eisenhut (Aconitum napellus). Das Verbreitungsgebiet des Blauen Eisenhuts ist in den Mittelgebirgen und den Alpen.
Foto: © emer - Fotolia.com

Sumpfdotterblume (Caltha palustris)

Sumpfdotterblume (Caltha palustris). Die Sumpfdotterblume kommt an feuchten Standorten vor.
Foto: © Rainer Tagwercher - Fotolia.com

Der Blaue Eisenhut (oben) und die Sumpfdotterblume (unten) sind zwei Beispiele von Pflanzenarten, die durch den Klimawandel potenziell stark gefährdet sind.

Walnußbaum

Wenngleich weit geringer, wird es nach den Computermodellen auch Pflanzenarten geben, die ihre Verbreitungsgebiete ausdehnen. Ein Beispiel ist die Echte Walnuss (Juglans regia).
Foto: André Künzelmann/UFZ

Die Zukunft können wir nicht vorhersagen. Daher müssen wir für die Analyse möglicher zukünftiger Verbreitungsgebiete von Pflanzenarten genauso auf Computermodelle zurückgreifen, wie dies auch Klimaforschung macht. Die Modelle liefern Trends als Folge der Änderung von Klima- oder Landnutzungsbedingungen in einem Gebiet auf der Grundlage unterschiedlicher Szenarien. Damit ermöglichen sie Aussagen über den möglichen Verlust oder Zugewinn des Areals einer Pflanze. Diese Szenarien der zukünftigen Entwicklung beruhen jedoch auf plausiblen Annahmen, in welche Richtung sich die Weltwirtschaft entwickeln kann. Die Weichenstellungen für die zukünftige wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung sind daher von entscheidender Bedeutung. Diese beeinflussen die Freisetzung von Kohlendioxid und anderer Klimagase, die auf die Temperatur und weitere Klimaelemente wirken und damit auch die Verbreitung von Arten beeinflussen.

Ein einfaches Zahlenspiel auf der Basis der am weitesten verbreiteten Klimaszenarien kann die möglichen Konsequenzen für die Flora verdeutlichen. Diese repräsentieren in vereinfachter Weise drei mögliche Temperaturentwicklungen: etwa +2, +3 oder +4° C bis zum Ende des Jahrhunderts. Modellrechnungen des UFZ ergaben, dass zwischen 8% und 24% der einheimischen Arten mehr als 80% ihres gegenwärtigen Areals verlieren. Klimabedingt reagieren alpine Vertreter wie Alpen-Hornkraut (Cerastium alpinum) besonders sensibel und verliert im Modell (+4 °C) über 70 % des Verbreitungsgebietes. Weitere Beispiele für potentiell stark durch Klimawandel gefährdete Arten sind Sumpfdotterblume (Caltha palustris), Zimt-Rose (Rosa majalis), Alpen-Hahnenfuß (Ranunculus alpestris), Blauer Eisenhut (Aconitum napellus) oder Gelbe Wiesenraute (Thalictrum flavum).

Unter dem Extremszenario verschwinden bis zu 5 % der getesteten Arten komplett aus ihrem Areal in Deutschland. Aber auch umgekehrte Effekte treten auf - wenngleich weit geringer: Laut Modell könnten bis zu 20% (+2° C) der Arten über die Hälfte der Fläche ihres derzeitigen Areals dazugewinnen. Potentielle Gewinner sind z. B. Echte Walnuss (Juglans regia), Glänzende Wiesenraute (Thalictrum lucidum), Büschel-Miere (Minuartia rubra) oder die Flaum-Eiche (Quercus pubescens). Dass eine Art diesen neuen Raum in Zukunft tatsächlich erreichen kann, bleibt aber rein hypothetisch.

Bei den Modellszenarien fallen deutliche regionale Unterschiede der Auswirkungen auf: Vor allem im Bereichen Ost- und Südwestdeutschlands können die größten Veränderungen durch das Verschwinden von Arten aus ihrem bisherigen Areal auftreten. Die projizierte Änderung der Niederschlagsmuster und Temperaturen in den kommenden Jahrzehnten hat somit einen großen Einfluss auf die lokale Artenvielfalt.

Obwohl es in weitaus größerem Maße zum Verlust einheimischer Arten kommt, kann ein Teil auch durch potentielle Zuwanderung neuer Arten aus angrenzenden Gebieten ausgeglichen werden. Sofern die neuen Arten in den angrenzenden Gebieten heimisch sind, sollten sie auch bei uns als heimisch unter neuem Klima betrachtet werden. Allerdings profitieren gebietsfremde Arten, die ökologische, ökonomische oder gesundheitliche Probleme bereiten können weitaus mehr vom Klimawandels als seltene heimische Arten.

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Publikation:

THUILLER W., LAVOREL S., ARAUJO M.B., SYKES M.T. & PRENTICE I.C. (2005):
Climate change threats to plant diversity in Europe." Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 102 (23): 8245-8250.