Pressemitteilung vom 29. Januar 2008

Neuer Umweltindex EPI kein Vorbild für Deutschland

Verschiedene Länder über einen Kamm geschert - Weshalb der Environmental Performance Index 2008 nur wenig sinnvoll ist.

Davos/Leipzig. Der Umweltindex EPI kann für Länder ohne eigene Umwelt-Monitoringsysteme sinnvoll sein, um den umweltpolitischen Handlungsbedarf zu ermitteln. Innerhalb der Europäischen Union gibt es jedoch geeignetere Instrumente dafür. Das geht aus einer Studie hervor, die das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) im Auftrag der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) angefertigt hat. Für Deutschland gebe es mit dem "State of the Environment Report" der Europäischen Umweltagentur (EEA) und dem "Umweltbarometer" des Umweltbundesamtes (UBA) genauere und angemessenere Instrumente als den EPI 2008, so die Autoren der Studie.

Buchcover: Weltranglisten als Bewertungsinstrumente der Umweltpolitik

Weltranglisten als Bewertungsinstrumente der Umweltpolitik - Eine Einschätzung des Environmental Performance Index.
Metropolis-Verlag, Marburg.- 120 S.

Metropolis-Verlag

Der Environmental Performance Index versucht, die ökologische Leistungsbilanz von Staaten anhand verschiedener Indikatoren zur Umweltqualität quantitativ darzustellen. Er wurde von der US-amerikanischen Yale University initiiert. Die zweite Auflage wurde vergangene Woche auf dem Weltwirtschaftsforum im Schweizer Davos vorgestellt. Darin belegen die Schweiz, Norwegen und Schweden die ersten drei Plätze. Österreich kommt auf Platz 6, Deutschland auf Platz 13. Das Schlusslicht bilden ausnahmslos afrikanische Staaten – was direkt mit der Auswahl und Gewichtung einzelner Indikatoren innerhalb des EPI zusammenhängt. Die erste Auflage des Umweltindexes EPI hatte 2006 für Aufsehen gesorgt, weil Deutschland damals auf Platz 22 und damit beispielsweise deutlich hinter Costa Rica rangierte.

Am 23. Januar 2008 hat ein Konsortium um die Universität Yale auf dem Davos World Economic Forum eine neue Version des Environmental Performance Index (EPI 2008) vorgestellt mit dem Ziel, bisherige Anstrengungen und aktuellen Handlungsbedarf im Bereich der Umweltpolitik messbar zu machen. Wie schon der Vorgänger, EPI 2006, soll dieser Index dazu dienen, eine Grundlage für die Bewertung nationaler Umweltpolitiken zu bilden sowie Vergleiche zwischen den Umweltpolitiken verschiedener Länder zu ermöglichen.

Im globalen EPI-Ranking steht Deutschland auf Platz 13 und hat sich im Gegensatz zum EPI 2006 um 6 Plätze verbessert. Aufgrund einiger konzeptioneller Schwierigkeiten erweist sich jedoch die Interpretation dieser Zahlen als schwierig. Zunächst einmal sind Vergleiche zwischen den beiden Versionen des EPI nicht angebracht: Der EPI 2008 umfasst 25 Indikatoren, während sich der Vorgänger nur auf 16 Indikatoren bezog - es sind also neue Parameter hinzugekommen, wie z.B. das Ausmaß von Schleppnetzfischerei.
Der EPI 2008 bemüht sich um eine differenziertere Herangehensweise an umweltpolitische Themen als sein Vorgänger. Aber auch die neue Version verfolgt den Ansatz, einen weltweit standardisierten Bewertungsrahmen für Umweltpolitik zu setzen. Die Umweltprobleme, ihre relative Bedeutung und die politischen Möglichkeiten, ihnen zu begegnen, sind aber zwischen Kontinenten bzw. Industrie- und Entwicklungsländern so unterschiedlich, dass der EPI nicht gleichermaßen für alle Länder relevant ist. Dies gilt gleichermaßen für die Auswahl der Indikatoren, die Festlegung der Zielwerte wie auch die Gewichtung einzelner Aspekte innerhalb des EPI.

Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) hat im Auftrag des Umweltbundesamtes den Environmental Performance Index (EPI) von 2006 analysiert und mit bereits bestehenden Bewertungssystemen in Deutschland verglichen. Für Augustin Berghöfer, einen der Autoren dieser Studie, ist es keine Überraschung, dass die vorderen Plätze von wohlhabenden Industriestaaten wie Neuseeland, Schweden und Finnland belegt wurden: "So begünstigt beispielsweise das große Gewicht, das der EPI auf verschmutzungsbedingte Krankheiten legt, alle westlichen Industriestaaten, die über die finanziellen Möglichkeiten für die entsprechenden Technologien verfügen. Andererseits führt die geringe Gewichtung von Ressourcen- und Energieverbrauch in der EPI-Gesamtwertung dazu, dass zentrale Herausforderungen an die Umweltpolitik in Industriestaaten kaum berücksichtigt werden."
So hat es einen politischen Beigeschmack, wenn die Autoren des EPI in einer Presseerklärung vom 23. Januar 2008 zu dem Schluß kommen: ‘Wohlstand fördert maßgeblich die Umweltqualität eines Landes’ – eine veränderte Gewichtung der einzelnen Indikatoren in der Gesamtwertung würde ganz andere Ergebnisse liefern.

Eine weitere Schwierigkeit betrifft die Legitimität der Zielwerte im EPI. Die Distanz-zum-Ziel Methodik erfordert exakte Zielwerte, an denen sich die Länder zu messen haben. Einige dieser Zielwerte sind jedoch nicht durch politische Vereinbarungen gedeckt, sondern von nicht weiter benannten Experten gesetzt. Berghöfer: "Während der EPI 2006 noch eine Quelle für die jeweiligen Zielwerte angab, ist in der aktuellen Version dies nicht mehr nachvollziehbar. Es ist damit völlig offen, warum Regierungen sich gerade an diesen Zielwerten messen sollen. Als wirksames Instrument zur umweltpolitischen Selbstkontrolle fehlt dem EPI damit entscheidende Legitimität."

Insgesamt bietet der Umweltindex EPI für Länder ohne entsprechende Monitoringsysteme eine erste Orientierung, um den umweltpolitischen Handlungsbedarf zu ermitteln. Innerhalb der Europäischen Union gibt es jedoch geeignetere Instrumente dafür.

Links:

Der Pilot 2006 Environmental Performance Index - Bewertung aus deutscher Sicht und Vergleich mit anderen Instrumenten zur Bewertung von Umweltpolitik:
Der Pilot 2006 Environmental Performance Index

Environmental Performance Index 2008 [BETA] der Yale University:
Environmental Performance Index 2008

Umweltbarometer des UBA:
Umweltbarometer des UBA

"State of the Environment Report" der Europäischen Umweltagentur (EEA):
State of the Environment Report

Publikation:

Carsten Neßhöver, Augustin Berghöfer, Silke Beck:
Weltranglisten als Bewertungsinstrumente der Umweltpolitik - Eine Einschätzung des Environmental Performance Index.
Metropolis-Verlag, Marburg.- 120 S.
Weltranglisten als Bewertungsinstrumente der Umweltpolitik

Weitere fachliche Informationen:

Dr. Carsten Neßhöver/ Augustin Berghöfer / Dr. Silke Beck
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: 0341-235-1649, -1649 ,-1733

oder über

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ
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Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ wurde 1991 gegründet und beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle/S. und Magdeburg rund 800 Mitarbeiter. Es erforscht die komplexen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt in genutzten und gestörten Landschaften, insbesondere dicht besiedelten städtischen und industriellen Ballungsräumen sowie naturnahen Landschaften. Die Wissenschaftler des UFZ entwickeln Konzepte und Verfahren, die helfen sollen, die natürlichen Lebensgrundlagen für nachfolgende Generationen zu sichern.
Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit 25.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 15 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,3 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des großen Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).