Pressemitteilung vom 20. Oktober 2006

"Geld stinkt nicht - bis man es anfasst"

Wissenschaftler erklären den typischen Geruch von Eisen und anderen Metallen

Leipzig/Blacksburg (USA). Der typische metallische Geruch beim Berühren von eisenhaltigen Münzen, Werkzeugen und anderen Gegenständen ist nicht wie bisher vermutet durch verdampftes Metall verursacht, sondern durch organische Moleküle aus der menschlichen Haut. Bei dieser Art menschlichen Körpergeruches wirkt das Eisen (ähnlich wie Kupfer) nur als Katalysator zur Abspaltung und Verdampfung von geruchsstarken organischen Hautbestandteilen.

Münze

"Pecunia non olet" (Geld stinkt nicht) - diese Spruch ist vom dem römischen Kaiser Vespasian überliefert, als dieser eine Latrinensteuer einführte.
Grafik: Dr. Dietmar Glindemann

Nachweis von Eisen- und Kupferionen

Links: Nachweis von zweiwertigen Eisenionen aus Eisenstaub korrodiert durch Schweiss durch eine violette Farbreaktion mit "FerroZine"
Mitte: Nachweis von einwertigen Kupferionen aus einer Kupfermünze korrodiert durch Schweiss, durch eine ocker Farbreaktion mit Bathocuproin
Rechts: Nachweis von einwertigen Kupferionen aus einem Messing-Schlüssel korrodiert durch Schweiss, durch eine ocker Farbreaktion mit Bathocuproin.

Dazu ist zu sagen, dass zweiwertiges Eisen sowie einwertiges Kupfer nicht stabil sind, weil diese sehr reaktiven meta-stabilen Ionen an der Luft schnell zu gewöhnlichem dreiwertigem Eisen (wie in gewöhnlichen Rost) und zweiwertigem Kupfer (wie in Grünspan) oxidiert werden.

Foto: Dr. Dietmar Glindemann

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Ein anderer bekannter knoblauchartiger Geruch beim Ätzen von phosphorhaltigem Gusseisen und Stahl mit Säuren ist nicht wie bisher angenommen durch das Gas Phosphorwasserstoff verursacht, sondern durch Organophosphor-Verbindungen.
Einem deutsch-amerikanischen Forscherteam um den Chemiker Dietmar Glindemann gelang diese Widerlegung bisheriger Irrtümer. Die Forschungsergebnisse, an denen Wissenschaftler der Virginia Polytechnic Institute and State University (Virginia Tech), der Universität Leipzig und des Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle (UFZ) beteiligt waren, sind jetzt in der internationalen Ausgabe des renommierten Fachmagazins "Angewandte Chemie" erschienen.

Eisen verursacht "metallischen" menschlichen Körpergeruch

Von allen menschlichen Sinnen ist der Geruchssinn wissenschaftlich am schwierigsten zu erklären. Erst vor zwei Jahren sind Linda Buck und Richard Axel mit dem Medizin-Nobelpreis geehrt worden. Sie waren die ersten, die jene über 1000 Gene entschlüsselt haben, die den Geruchssinn bestimmen. Wissenschaftler aus Blacksburg (VA, USA) und Leipzig arbeiten nun daran, die komplexe Chemie der Gerüche zu entwirren. "Als erste haben wir demonstriert, dass das, was Menschen als "metallischen" Geruch von Eisen beschreiben, nicht die verdunstenden Eisenatome sind. Die Gerüche, die Menschen beim Berühren von Eisenmetall als "metallisch" empfinden, sind in Wirklichkeit flüchtige Bestandteile der Haut", sagt Prof. Andrea Dietrich von der Virgina State University. Diese geruchsstarken Aldehyde und Ketone spalten sich von einer Art ranzigem Hautfett (Lipidperoxide) ab infolge Zersetzung durch "zweiwertige" Eisenionen. Diese reaktive Form des Eisens (auch grüner Rost genannt) entsteht durch teilweise Auflösung (Korrosion) des Eisenmetalls mit dem "sauren Schweiß" auf der Haut. Da Hautfett auf Metall haftet, riecht zum Beispiel eine Münze oder Türklinke mit Eisen oder Kupfer nach den zersetzten Lipidperoxiden all der Benutzer, die sie kurz vorher angefasst haben.

Vom Eisengeruch zum Blutgeruch -eine Spur in die Frühzeit

Die Forscher zeigten auch, dass der gleiche Eisengeruch entsteht, wenn Blut mit Haut in Kontakt kommt, da frisches Blut "zweiwertiges" Eisen enthält. Sie schlossen daraus, dass die sehr empfindliche Wahrnehmung des "Eisengeruches" dem bekannten ausgeprägten Sinn von Tieren und Menschen für Blutspuren entspricht. Die Fähigkeit, Blut gut zu riechen, war ein Vorteil in der Evolution, da sie den Urmenschen wie ihren tierischen Verwandten erlaubte, verwundete blutende Beute zu verfolgen und zu finden wie ein Fährtenhund.

Der ganz andere metallische Geruch von phosphorhaltigem Eisen

Die Publikation der Forscher bietet auch Daten über einen anderen eher "knoblauchartigen" metallischen Geruch von Eisen, der bei der Auflösung von Gusseisen oder Stahl in Säure wahrgenommen werden kann. Dieser Geruch ist das Ergebnis der Bildung von Organophosphinen aus Kohlenstoff- und Phosphorverunreinigungen im Eisen. Dr. Dietmar Glindemann empfiehlt einen einfachen Riechtest um diese Organophosphine aufzuspüren: "Feilspäne aus Gusseisen im Reagenzglas mit wässriger Salzsäure erhitzt ergeben schäumende Gasblasen die nach Knoblauch oder Karbid riechen. Man verwendet Gusseisen, da es viel Phosphor enthält, sich leicht auflöst und deshalb deutlich riecht.". "Die Schwierigkeit bestand darin, die Bildung dieser luftempfindlichen Organophosphine aus Eisen im Labor so zu maximieren, dass sie mit den modernen Geräten sicher analysiert werden konnten, da diese immer noch weit weniger empfindlich waren als die menschliche Nase", beschreibt Dr. Hans-Joachim Stärk vom UFZ die analytische Herausforderung. Da diese Organophosphine schnell in der Luft oxydieren, wurden sie in der Umwelt noch nie entdeckt, obwohl Hochtechnologie-Labore Organophosphine produzieren, um Halbleiter zu behandeln. Die Publikation zeigt auch, dass die alltägliche Korrosion von Gusseisen zu Organophosphor-Verbindungen führt, die auf der Überwachungsliste der Chemiewaffen-Konvention stehen, da sie ein "Fingerabdruck" für Produktion oder Einsatz von Nervengas sind. Allgegenwärtige Organophosphor-Korrosionsprodukte könnten also zu Konfusion bei der Überwachung der Konvention führen, befürchten die Wissenschaftler.

Neue Anwendungen

"Unsere Forschungsergebnisse bestätigen den Hinweis der menschlichen Nase, dass das in unserem Alltag weit verbreitete Eisenmetall zur Reaktion mit der menschlichen Haut sowie zur Bildung von sehr geruchsstarken und reaktionsfähigen organischen Verbindungen neigt. Es sollte untersucht werden, ob Eisen auf diese Art die Gesundheit beeinflussen kann", regt Glindemann an. Die Wissenschaftler wollen mit ihrer Publikation die Mediziner ermutigen, einen analytischen Eisentest für die Messung der Peroxidierung von Haut, Blut und Körpergewebe von Patienten weiter zu entwickeln. Individueller Körpergeruch, oxydativer Stress und verschiedene Krankheiten könnten so anhand ihres spezifischen chemischen "Fingerabdruckes" durch flüchtige Geruchsstoffe identifiziert werden. Erst vor kurzem hatte eine Meldung über Hunde, die Krebszellen riechen können, für Aufsehen gesorgt. Zudem könnte die Aufklärung des metallischen Hautgeruchs Wasseringenieuren helfen, Kundenbeschwerden über den "metallischen" Geruch von Trinkwasser zu klären. Die Umweltforscher hoffen, dass diese Ergebnisse helfen, organische und metallische Altlasten im Boden durch ihre geruchsstarken Reaktionsprodukte aufzuspüren oder solche Geruchs-Szenarien in Mülldeponien zu beseitigen.

Wissenschaftliche Publikation

Dietmar Glindemann, Andrea Dietrich, Hans-Joachim Staerk und Peter Kuschk:
Die zwei Gerüche des Eisens bei Berührung und unter Säureeinwirkung - (Haut-) Carbonylverbindungen und Organophosphine.
Angewandte Chemie International Edition, Early View
www3.interscience.wiley.com

Weitere fachliche Informationen über:

Dr. D. Glindemann / Prof. Dr. A. Dietrich
Virginia Polytechnic Institute and State University
Email: dglindem@vt.edu
Email: andread@vt.edu

Dr. Hans-Joachim Stärk / Dr. Peter Kuschk
Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle (UFZ)
Telefon: 0341-235-2289 / 0341-235-2821

oder über:

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ
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